Trockenmauerprojekte im südlichen Landkreis Rastatt
Trockenmauern sind kulturhistorische Relikte in unserer Landschaft und zeugen von der Landnutzung und der Lebens- und Arbeitsweise in früheren Jahrhunderten. Sie entstanden in mühevoller Handarbeit, um steile, sonnige Hänge für den Anbau von Wein und Obst nutzbar zu machen, aber auch um Äcker und Gärten anzulegen. Durch den Bau von Trockenmauern wurden Hänge terrassiert und es entstanden leicht geneigte Flächen, die vor Erosion geschützt waren. Sie wurden meist aus unbehauenen Steinen gebaut, Mörtel wurde nicht verwendet.
Viele dieser Mauern sind heute durch frühere einseitig ausgerichtete Flurbereinigungsverfahren, Überbauung und die Nutzungsaufgabe mit anschließender Verbuschung und Wiederbewaldung verschwunden. „Dies führte zu einem stetigen Rückgang dieser wertvollen Elemente in unserer Kulturlandschaft“, erklärt Achim Schick, der Leiter des Amtes für Baurecht und Naturschutz im Landratsamt Rastatt. Zahlreiche Landschaftspflegeprojekte werden durch die untere Naturschutzbehörde im Landratsamt fachlich beraten und mit Kreis- und Landesmitteln finanziell unterstützt. Wichtigste Verbündete der Behörden bei der Umsetzung sind dabei die örtlichen Vereine. „Ohne die Vereine und deren ehrenamtlichen Einsatz und Überzeugungsarbeit vor Ort würde es viele Projekte, wie auch die Wiederherstellung von Trockenmauern, in diesem Umfang nicht geben“, ist sich Susanne Hund, Naturschutzfachkraft im Landratsamt, sicher.
Durch ihre meist südexponierte Lage bieten diese unverfugten Steinmauern Lebensraum für Wärme liebende Tier- und Pflanzenarten. Diese Spezialisten bilden eine vielschichtige Lebensgemeinschaft, daher sind diese Mauern auch als wertvolle Biotope besonders geschützt. Seltene kleinblättrige Farnarten wie der Nördliche Streifenfarn, der Schwarze Streifenfarn und der sehr seltene Milzfarn sind in den Fugen der Trockenmauern im südlichen Landkreis beheimatet. Das Berg-Sandglöckchen mit seinen blauen Blüten, ebenso der Hasen-Klee mit den samtig-weichen Blütenköpfen sowie verschiedene Nelkenarten mit leuchtend roten Blütenständen wachsen an den Mauerköpfen, während die alten Mauersteine von dicken Moos- und Flechtenpolstern überzogen sind.
Auch seltene, gefährdete und teilweise streng geschützte Tierarten wie verschiedene Insekten und Reptilien nutzen die unverfugten Mauern als Rückzugsort. So gehören der Steppengrashüpfer und die Blauflügelige Ödlandschrecke zu den Wärme liebenden, seltenen Heuschreckenarten. Aber auch die seltene Gottesanbeterin, verschiedene Wildbienenarten und Schmetterlingsarten wie der Weiße Waldportier oder der Schwalbenschwanz sind an diesen außergewöhnlichen Lebensraum angepasst. Die Zaun- und Mauereidechse sowie die Schlingnatter sind Vertreter der Reptilien, die an den alten Mauern beobachtet werden können.
1995 wurden erstmals Pflegemaßnahmen am Hardtbuckel in Ottersweier durchgeführt und ehemalige Weinbauterrassen und Trockenmauern entbuscht und wiederhergestellt. Diese Flächen und insbesondere die ökologisch hochwertigen Mauern werden bis heute im Auftrag der unteren Naturschutzbehörde im Landkreis Rastatt gepflegt. Grundstein für weitere Trockenmauerprojekte war die Diplomarbeit „Konzept zur Erhaltung der wertvollsten Trockenmauern im Landkreis Rastatt“ von Nadine Reinhard aus dem Jahr 1999. Dadurch wurden alle Trockenmauern erfasst und bewertet. Hier kristallisierten sich für den südlichen Landkreis, neben dem Hardtbuckel in Ottersweier, der Engelsberg in der Gemeinde Bühlertal und die Sommerseite in Bühl-Neusatz als bedeutende Gebiete mit wertvollen Trockenmauern heraus. Daraufhin wurden weitergehende Konzepte im Auftrag der Gemeinden und des Landratsamtes erstellt.
Seit Jahren betreut und pflegt der Heimat- und Verkehrsverein in Neusatz maßgeblich das Trockenmauerprojekt an der Sommerseite in Zusammenarbeit mit anderen Vereinen, deren ehrenamtliche Mitglieder zu Motormäher, Sense und Rebschere im Herbst greifen. Neben der regelmäßigen Mahd der ehemaligen Weinbergsterrassen und dem Freischneiden der Trockenmauern werden Erstpflegemaßnahmen durchgeführt und Terrassen, die mit Gehölzen zugewachsen sind, Zug um Zug freigestellt. Diese landschaftspflegerischen Arbeiten dienen nicht nur der Tier- und Pflanzenwelt, sondern erhöhen auch den Erholungswert und bieten reizvolle An- und Ausblicke. In diesem Jahr möchte der Heimat- und Verkehrsverein unter fachmännischer Anleitung erlernen, wie Trockenmauern wiederhergestellt werden können.
In Bühlertal setzte das 2003 von der Gemeinde in Auftrag gegebene „Landnutzungskonzept Bühlertal“ und die Diplomarbeit „Historischer Schausteillagenweinbau – ein lebendiges Weinbergmuseum“ von Andreas Karcher aus dem Jahr 2009, entscheidende Impulse. Im selben Jahr konnte der „Förderverein Engelsberg“ gegründet werden, der sich zum Ziel gesetzt hat, die besondere Kulturlandschaft wiederherzustellen. Mittlerweile engagieren sich dafür weitere Vereine ehrenamtlich. Zusätzlich wurden Trockenmauern im Zuge einer Ausgleichsmaßnahme im Auftrag der Gemeinde Bühlertal sachgerecht saniert. „Das Ergebnis all dieser Maßnahmen am Engelsberg belohnt auch mit einem eindrücklichen, schönen Landschaftsbild am Ortseingang von Bühlertal gegenüber dem Schwimmbad“, lobt Susanne Hund. Zudem möchte der Förderverein zusammen mit der Gemeinde einen Erlebnispfad, den „Engelssteig“, anlegen. An verschiedenen Informationstafeln könnte dann die wechselvolle Geschichte des Steillagenweinbaues veranschaulicht werden.
Die untere Naturschutzbehörde im Landratsamt Rastatt hat sich zum Ziel gesetzt, die bisher freigestellten Trockenmauern und Terrassen auf Dauer zu erhalten und künftig Relikte früherer Tage in die Landschaft zurückzuholen. Denn nach wie vor schlummert noch manche Trockenmauer im Verborgenen, und deren Bewohner müssen vorerst noch auf ihren Platz an der Sonne warten.
Text: Landkreis Rastatt
Bilder: Landkreis Rastatt und Andreas Karcher